Braunkohlessen im Ratskeller
Freitag, d. 04. November 2016
Knapp 80 Heimatfreunde und Gäste hatten sich zum traditionellen Braunkohl-Essen, der ersten Veranstaltung des Winterprogramms des Schöninger Heimatvereins, im Ratskeller eingefunden.
Auf lebhafte Neugier stieß die von Heimatfreund Karl-Heinz Dube betreute Film-Vorführung eines 2004 von Ilse Köhler auf Plattdeutsch verfassten und von ihr inszenierten Schwankes „Ehren – ganz amtlich“. Es gab keinen Unterschied zwischen dem lebhaften Beifall und den herzhaften Lachern bei der damaligen Bühnen-Aufführung am 04. 03. 2004 und der filmischen Wiederholung 12 Jahre später.
Das Thema des Schwanks ist nach wie vor aktuell: Wie füllt man die leere Stadtkasse? Ilse Köhler schlägt vor, die nötigen Aufgaben der Stadt von ehrenamtlichen Mitarbeitern erledigen zu lassen.
Für den Berichterstatter als Mitwirkenden in der Rolle des Schöninger Bürgermeisters war es die Erinnerung an disziplinierte, konzentrierte Arbeit. Das Sich-Vertrautmachen mit dem Inhalt und das Einlesen der Rollen fand bei Köhlers zu Hause statt. Dann folgte das Auswendiglernen der jeweiligen Rolle. Bald ging es auf die Theaterbühne des Pallas. Ilse Köhler überwachte das Zusammen-spiel von gesprochenem Wort, Bewegung und Gestik. Sie war eine Dramaturgin, die das Bühnengeschehen steuerte und strikt in der Hand hatte. Sie ließ keinen Patzer durchgehen. Und wenn einmal ein Mallör passierte, war das Anlass zu einem allgemeinen Lacher.
Ilse Köhler hatte genaue Vorstellungen, was die Kostümierung ihrer „Schauspieler“ betraf.
Und der Köhlersche Privat-Fundus hielt immer das Passende parat. Sollte mal etwas nicht vorhanden sein, musste die Perücke der Ehefrau, wie sie in den 60er Jahren als Zweitfrisur Mode war, den Kahlkopf des Berichterstatters bedecken. Die Film-Vorführung war die Gelegenheit, die lieben Mitspieler und sich selbst auf der Bühne zu betrachten und den Schwank im Zusammenhang zu erleben.
Der Text ist sorgfältig überlegt geschrieben. Die Autorin verfügt über alle Kniffe, die einen Schwank, eine Satire, eine Parodie kennzeichnen: Missverständnis, Übertreibungen, Situationskomik, Wortspielerei, Zweideutigkeiten, Ironie, Witz, Herunterspielen des Witzes usw.
Beispiel für das zuletzt genannte Stilmittel: Der Hausmeister im Rathaus fragt die Putzfrau: „Was ist der Unterschied zwischen einem Ehemann und einem Börgermester?“ Er beantwortet die Frage selbst: „De Börgermester wett ümmer wer sein Stellvertreter ist.“ Die Putzfrau spielt den Scherz herunter: „Minsche, op den Witz kriejet se in Ostpreußen all Rente.“
Ironie und Zweideutigkeit: Auf die Frage des Bürgermeisters nach vorhandenem Geld hält der Kämmerer ein Fass ohne Boden hoch. Der Hausmeister kommentiert: „Ja, ja, dat Wohl der Stadt – en Fatt ohne Bodden.“ Sowohl die mehr und mehr verlangten Wohltaten sind ein Fass ohne Boden als auch die mehr und mehr benötigten Gelder, um die Wohltaten zu bezahlen.
Hintergründige Buchstabenspielerei: Es tritt eine Vertreterin einer für Schöningen engagierten Partei auf, die DPS. Dahinter verbirgt sich mit vollem Namen Du-Pennst-Schöningen-Partei. Aufmerksame Zuhörer haben die raffinierte Buchstaben-Kombination längst erkannt. Ähnliches gilt für die UDC, die Unterstützt-Das-Chaos-Partei.
Eine Zweideutigkeit, die genüsslich ausgekostet wird. Der Dienst der Stadtsekretärin besteht darin, dass sie für die Bürger „da und nah“ ist. Als ein Jugendlicher das Angebot „da und nah“ wörtlich nimmt und den Dienst in Anspruch nehmen möchte – natürlich nur amtlich – weicht die Stadtsekretärin aus mit der Bemerkung, dass sie sehr im Stress sei, fügt aber leise hinzu „Bet hüte abend in’e Disco.“
Das satirische Stilmittel der Übertreibung. Die Putzfrau ermahnt Jugendliche, sie sollten die „Fäute affputzen“. Der Kämmerer nimmt den Ball auf und steigert: „Ja, die Leute kommen aber auch mit jedem Dreck ins Rathaus.“
Satire, die sich über die Realität lustig macht. Jugendliche bewerben sich um einen Ausbildungsplatz. Der Kämmerer fragt, was sie denn könnten. Auf ihre Antwort „Nichts!“ reagiert er mit dem Kommentar: „Tut mir leid, die gut bezahlten Positionen sind alle vergeben.“
Die Satire verspottet. Ein Jugendlicher fragt, wozu man einen Bürgermeister brauche. Die Stadtsekretärin reagiert: „Dat warst’e an dien achzichsten Jeburtsdach jewahr. Denn sau grateleert dick de Börjermester persönlich.“
Die Position eines Kämmerers wird verhohnepiepelt. „Ein Kämmerer sitzt im stillen Kämmerlein und wartet auf die Mäuse.“
Die Satire verhöhnt ernste Sachverhalte. Als Beispiel dient der folgende Dialog.
Hausmeister: „… En Ehrenamt is ne Opgabe, de ne groote Ehre is un veel Arbeit maaket.“ Putzfrau fragt naiv: „Un ward dat gut betahlt?“ Eine Ratsfrau antwortet: „Ja, mit Ehre. Un Jeld moßte midde bringen.“
Ilse Köhler hat örtliche Befunde auf die Schippe genommen, nicht dass man Anstoß nimmt, sondern man schmunzelt und lacht. Der Schluss ist versöhnlich und lässt den Kämmerer sagen: „Nun ja, investieren wir in die Jugend. Zum Wohle der Stadt!“ Und der Schlussgesang der Theatergruppe lässt das Ehrenamt hochleben, denn ohne Ehrenamt würde im Sport, in der Kultur, im menschlichen Zusammenleben vieles nicht funktionieren.
Die Schauspieler singen nach der Melodie Die Vogelhochzeit:
Drängt man uns in ein Ehrenamt,
sind wir verraten und verdammt.
Doch nehmen wir nicht auf die Ehr‘,
wo nähm der Staat das Geld dann her?
So opfern viele ihre Zeit
Für Sport, Kultur und Menschlichkeit.
Der Hallerkauken wär‘ passé,
wenn jeder sagt: „Ich nicht, o nee!“
Drum jubelt mit uns allesamt:
„Hoch lebe es, das Ehrenamt!“
Karl-Heinz Dube erhielt viel Beifall für die filmische Bearbeitung und bekam ein „zu genießendes“ Dankeschön überreicht. Die Organisatorinnen des Abends Hiltrud Ahrens und Ute Gaul erhielten vom 1.Vorsitzenden, Herrn Briese, ein „blumiges“ Dankeschön.
Eine Hommage für Ilse Köhler
Liebe Ilse,
du hast verfasst so manchen Schwank,
hast uns Freude gemacht viele Jahre lang,
ernste Dinge hast du so beschrieben,
dass Lacher sind nie ausgeblieben.
Deine Schauspieler Rollen erhielten,
als ob sie sich selber spielten.
Ob Themen der Vergangenheit, ob Probleme heute,
du fandst immer die richtigen Leute.
„Ehren-ganz amtlich“ hat amtlich klargemacht,
wie ernst das Thema auch ist,
es wird laut und herzhaft gelacht.
Dir sollte es immer erfolgreich gelingen,
Spaß und Vergnügen auf die Bühne zu bringen.
Dies ist heute nun der Ort,
der Autorin, Regisseurin, auch Inspizientin
zu sagen ein herzliches Dankeswort.
Trotz der freudigen Erinnerung ist man bedrückt,
die heitere, vergnügliche Zeit kehrt nicht zurück.
Text: Hans-Günter Appuhn Fotos: Karl-Heinz Dube