Jüdisches Leben in Schöningen; Gedenken an die ermordeten Juden
Im Rahmen der alljährlich stattfindenden jüdischen Kulturtage zwischen Harz und Heide fand auch eine Radtour von Helmstedt zum Schöninger Friedhof statt, auf dem einige jüdische Bürger begraben liegen und ein Gedenkstein für die in der NS-Zeit ermordeten Juden errichtet wurde.
Mitglieder des Arbeitskreises „Stolpersteine und Gedenkarbeit“ stellten in kurzen Vorträgen die Geschichte jüdischen Lebens in Schöningen vor, berichteten über neuere Erkenntnisse im Rahmen ihrer Forschungsarbeit und stellten die bisherige und zukünftige Arbeit ihres Kreises vor. Nachfolgend sind ihre Beiträge hier.
Zur Geschichte der Schöninger Juden
Manfred Saak
In der Schöninger Stadtchronik wird berichtet, dass sich bereits im Jahr 1398 Juden in Schöningen angesiedelt haben. Schon damals hatten sie es nicht leicht, anerkannt zu werden. Mal wurden sie geduldet, mal auch abgelehnt oder gar ausgebürgert und verwiesen.
Auch durften Juden lange Zeit nur einen Vornamen tragen. Erst 1807 war es erlaubt, sich einen Familiennamen zuzulegen.
Schließlich wurde über 100 Jahre später (1925) die kleine jüdische Gemeinde in Schöningen als öffentlich-rechtliche Körperschaft vom Staat anerkannt und erhielt die Korporationsrechte.
Die Hetze gegen Juden wurde von da ab leider auch in Schöningen immer stärker. Auf Schaufensterscheiben wurde geschmiert: WIR KAUFEN NICHT BEI JUDEN oder JUDEN RAUS.
An der Ecke Bismarckstraße Niedernstraße wurde ein Galgen aufgestellt, an dem eine Strohpuppe, als Jude ausstaffiert, aufgehängt war.
Mit der Pogromnacht am 09.November 1938 begann die intensive Verfolgung der Juden in unserer Stadt. In dieser Nacht wurde das Manufakturwarengeschäft Lauterstein in der Niedernstraße 23 zerstört und geplündert.
Auf Anordnung der Stadt mussten die Juden einen gelben Stern, sichtbar für alle, an ihrer Kleidung tragen. Ihre Kinder durften nicht mehr die Schulen besuchen. Freies Bewegen der Juden in der Stadt oder in den Parks war untersagt.
Und dann wurden die verbliebenen Juden vom Rathaus unter Leitung des damaligen Bürgermeisters Bernhard Scheifele aufgefordert, sich zur Abholung bereitzuhalten. Der Abtransport in Ghettos oder KZs war eine erdrückende Realität in unserer kleinen Stadt.
Nur drei von den 26 Juden, deren Namen hier in diesem Gedenkstein eingemeißelt sind, nämlich Lucian Schnell, Walter Hirsch und Hans Kahlenberg, konnten flüchten. Ob sie überlebt haben, ist bis heute nicht bekannt. Die anderen Juden, ob Kinder oder Greise, wurden in KZs wie Auschwitz, Belsitza, Theresienstadt ermordet.
Am 30.06.1939 hat die Stadt gemeldet, dass Schöningen judenfrei sei.
Und dann nahm der Krieg seinen Verlauf und Deutschland fiel in Schutt und Asche. Am 8. Mai 1945 endete dieser unsagbare Weltkrieg mit 6 Mill. getöteten Juden, zu denen auch die auf dem Gedenkstein benannten Schöninger Juden gezählt werden müssen.
Auf dem jüdischen Begräbnisplatz, also hier an diesem Ort wurde am 21.07.1952 von der Stadt dieser Gedenkstein, vor dem wir stehen, für die während der Nazizeit ermordeten Mitglieder und zur Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde aufgestellt.
Nur einer, Abraham Lauterstein, der aber hier nicht aufgeführt ist, wurde aus dem KZ Theresienstadt befreit und kam 1945 nach Schöningen zurück, zwei Jahre später wanderte er in die USA aus.
Vorsitzender der jüdischen Gemeinde war lange Jahre Hermann Probst. Mit seinem Bruder Emil betrieb er das von den Eltern übernommene Konfektionsgeschäft in der Niedernstraße 8. (Siehe auch Seite 19 bis 31) Zeitzeugen haben berichtet, dass man bei Probst sehr gut einkaufen konnte und auch sehr nett bedient wurde. Eine jüdische Gemeinde durfte sich dann Gemeinde nennen, wenn mindestens 10 Männer dazu gehörten. Das wurde auch streng beachtet.
Als die jüdische Gemeinde in Halle i. Br. ausgestorben war, gingen die dort benutzten Kultgegenstände wie Thorarolle, Gebetspult, Schofahörner und eine silberne Lesehand in den Besitz von Hermann Probst über, der sie der hiesigen Gemeinde vermachte. Leider ist nicht mehr nachvollziehbar, wo die Gegenstände verblieben sind. Auf der Rückseite des Gedenksteins ist in hebräischer Sprache der jüdische Segen eingemeißelt. Zum Gedenken an die jüdischen Einwohner in Schöningen ermordet zur Heiligung des Namens, (gemeint ist Märtyrer) durch frevelhafte NAZIS. Ihre Seelen seien eingebunden in das Bündel des Lebens.