Dobberkau

Der Auf­ruf hat Erfolg gehabt

In der letz­ten Aus­ga­be unse­rer Ver­eins­zei­tung wur­de von den Wer­be­ver­an­stal­tun­gen 1949 und 1950 im Elm­schlöss­chen berich­tet und eine Auf­stel­lung vie­ler Betrie­be bei­gefügt. In dem Zusam­men­hang wur­den Sie, lie­be Lese­rin­nen und Leser, gebe­ten, aus eige­ner Kennt­nis zu berich­ten und das Leben bzw. Berufs­le­ben der erleb­ten Zeit zu beschrei­ben. Erfreu­li­cher­wei­se haben sich zwei Per­so­nen gemel­det. Heu­te berich­tet Ruth Lip­pelt, geb. Ein­brodt. Sie hat zu ihrer Zeit bei Dob­ber­kau in der Nie­dern­stra­ße etwas auf­ge­schrie­ben und Bil­der dazu mitgegeben.

Ruth Lip­pelt erzähltIm füh­ren­den Tex­til­haus Gebrü­der Dobberkau

Die Geschäfts­in­ha­ber Rudlf und Theo­dor Dob­ber­kau 1958

Die Brü­der Theo­dor und Rudolf Dob­ber­kau führ­ten das Geschäft gemein­sam. Sie waren aus Esche­de gekom­men, wo ihre Eltern eben­falls ein Mode­ge­schäft hat­ten. Frü­her wur­de das Geschäft von Inha­ber Probst geführt, der es an Dob­ber­kau verkaufte.

Ein Tag als Verkaufslehrling

Mor­gens ab 8.30 Uhr war der Laden geöff­net, aber wir Lehr­lin­ge muss­ten um Punkt 8.00 Uhr erscheinen.

Dob­ber­kaus „Ers­te Gar­ni­tur“ 1955

Laden fegen, boh­nern mit einem klei­nen Boh­ner­be­sen und Tuch und die Ver­kaufs­tre­sen rei­ni­gen. Dann bestell­te uns der Chef alle ins Büro. Wir hör­ten eine „Gar­di­nen­pre­digt“, so nann­ten wir es. Wir soll­ten zur Kund­schaft zuvor­kom­mend sein, freund­lich und hilfs­be­reit, um mög­lichst immer etwas mehr zu ver­kau­fen.
Der Chef sag­te dann stets zum Abschluss: „Ihr alle seid im Ver­kauf die ers­te Gar­ni­tur; die Fir­men Lübeck und Much haben die zwei­te Gar­ni­tur.“ Dann ging von der ers­ten Gar­ni­tur jede an ihre Aus­bil­dungs­ab­tei­lung.
Eine Haus­frau näh­te damals ihre Gar­de­ro­be selbst und so wur­de Stoff in der Stoff­ab­tei­lung ver­kauft. Dazu gab es In der Kurz­wa­ren­ab­tei­lung Reiß­ver­schlüs­se, Näh­sei­den, Haken und Ösen. Gar­di­nen, Bett­wä­sche und Tisch­tü­cher waren 1954 ein Ren­ner. Es fehl­te nach dem Krieg an allem.
Ein Ver­kaufs­lehr­ling wur­de beauf­tragt, Fir­men­lie­fe­run­gen, die mit der Post kamen, mit einem Hand­kar­ren abzu­ho­len. Die Schie­be­rei war sehr schwer und für ein klei­nes Per­sön­chen eine dol­le Arbeit. Frem­de Kun­den hal­fen dann oft beim Schieben.

Ruth Ein­brodt an der Kasse

Betrat eine wohl­ha­ben­de Schö­nin­ge­rin den Laden, wur­de sie von einem der Inha­ber mit Hand­schlag und Ver­beu­gung begrüßt. Ja, sie habe vor, etwas zu kau­fen. Am Ende der Unter­hal­tung war es dann eine klei­ne Rol­le „Amann“ Näh­sei­de, die sie sich aber nach Hau­se brin­gen ließ. Ein Lehr­ling im ers­ten Lehr­jahr muss­te dann in sei­ner Mit­tags­pau­se (die Dame wohn­te Alvers­dor­fer Weg) die klei­ne Tüte dort ablie­fern.
Eigent­lich wäre um 18:00 Uhr Laden­schluss gewe­sen, aber den gab es erst, wenn alle Durch­schlä­ge der Kas­sen­zet­tel mit dem jewei­li­gen Block und der Kas­se über­ein­stimm­ten. Oh je, wenn es nicht stimm­te, muss­te alles noch ein­mal durch­ge­rech­net wer­den – und gegen­über stan­den pfei­fend die Ver­eh­rer der Lehr­lin­ge.
Zu Hau­se durf­ten wir aber nicht meckern, denn dort gab es nur zur Ant­wort: „Lehr­jah­re sind kei­ne Her­ren­jah­re, da musst du durch!“
Aber schön war es doch und wir erzäh­len immer noch von früher.

Büro­lehr­ling

Ich möch­te nicht kla­gen, da ich Ste­no­gra­fie und Schreib­ma­schi­ne in der VHS in Abend­kur­sen als 15-jäh­ri­ge erlernt hat­te, bekam ich vom Arbeits­amt zum Vor­stel­len zur Aus­bil­dung als Büro­kauf­frau eine blaue Kar­te, mit der ich mich bei Dob­ber­kau bewer­ben konn­te.
Von bei­den Chefs der Fir­ma wur­de ich für gut befun­den und ange­nom­men. Mein Lehr­ver­trag lau­te­te „Ein­zel­han­dels­kauf­mann“ (kon­tor­be­ton­te Arbeit), und es gab Schul­un­ter­richt in der Indus­trie­klas­se und Prü­fung im Industriefach.

Laden­front „Modern“

Nach Besich­ti­gung des Büros saß ich dann jeden Tag vor einem gro­ßen Jour­nal und muss­te alles im Kopf rech­nen – es gab ja noch kei­nen Com­pu­ter.
Nach knapp 2 Jah­ren starb plötz­lich unse­re lang­jäh­ri­ge Kas­sie­re­rin und so wur­de ich dann schnell zur Nach­fol­ge­rin gekürt. Mei­ne Eltern muss­ten die­ser Ände­rung zustimmen.

Ich war glück­lich: Kei­ne Befeh­le mehr – und den gan­zen Laden hat­te ich im Blick­feld. Es war ein ganz neu­es Arbeits­ge­fühl.
Abends muss­te ich ohne zu mur­ren die Tages­ein­nah­men zäh­len, in eine „Bom­be“ (eine run­de Metall­kas­set­te) legen, die­se zur Bank brin­gen und in einen Tre­sor wer­fen.
Als ich eines Tages den Chef nach einer Gehalts­er­hö­hung frag­te, sag­te er prompt, ich sol­le doch abends mal zum Bahn­hof gehen und jeden, der mit einer C&A- oder Wei­pert-Tasche aus dem Zug stei­ge, über­re­den, die Waren fort­an in Schö­nin­gen zu kau­fen. Dann bekä­me ich auch mehr Geld.
Im Herbst 1961 hör­te ich im lieb­ge­wor­de­nen Geschäft auf. Kin­der hat­ten jetzt Vor­tritt.
Im Okto­ber 1961 habe ich acht lieb­ge­won­ne­ne Mäd­chen zum Kaf­fee­kränz­chen zu mir nach Hau­se ein­ge­la­den und Sie wer­den es nicht glau­ben, ein­mal im Monat abwech­selnd und das bis 2018, stan­den alle auf der Mat­te. Dann hat uns die Coro­na-Pan­de­mie alles ver­mas­selt. Doch nun tref­fen wir uns wie­der regelmäßig.

50-jäh­ri­ges Jubi­lä­um unse­re Kränz­chens 2011

Lei­der sind wir nur noch vier Frau­en, inzwi­schen 80plus, aber Kaf­fee und Kuchen schme­cken immer noch, nur nicht mehr selbst geba­cken.
1958 bekam jeder Kun­de, der Kon­fek­ti­ons­sa­chen kauf­te wie Anzug, Man­tel, Kleid oder Jacke einen Holz­bü­gel mit ein­gra­vier­tem Namen der Fir­ma als Geschenk. Ich möch­te mein Erin­ne­rungs­stück (es ist über 60 Jah­re alt) dem Hei­mat­mu­se­um schenken.

 

 

Ergän­zung der Redak­ti­on
Das Geschäft flo­rier­te wei­ter. Die Zeit war für den Ein­zel­han­del noch immer güns­tig. Vie­le Frau­en näh­ten Klei­dungs­stü­cke sel­ber. In den 1960er Jah­ren führ­te die Fir­ma Moden­schau­en im Deut­schen Haus durch. Im Jahr 1962 ist bemer­kens­wert, dass Nähe­rin­nen in einem Wett­be­werb ihre selbst­ge­näh­ten Klei­der vor­füh­ren konn­ten.
Die Brü­der Dob­ber­kau been­de­ten im Dezem­ber 1970 ihr beruf­li­ches Schaf­fen und ver­pach­te­ten ab 1971 das Geschäft an Hans Schee­rer und Mar­tin Hoeck. Die­se leg­ten es mit Homey­er und Strot­mann in Helm­stedt zusam­men und führ­ten das Tex­til­ge­schäft bis 1991 fort.

Im Febru­ar 1993 wur­de die Fir­ma end­gül­tig beim Amts­ge­richt Helm­stedt gelöscht.