Freiwillige Feuerwehr Schöningen
Eine der Veranstaltungen des diesjährigen Wort zum Ort befasste sich auch mit der Organisation der Freiwilligen Feuerwehr. Dies soll Anlass sein, über die Geschichte der Schöninger Feuerwehr in „Unsere Heimat“ zu berichten. Der ehemalige Ortsbrandmeister Wilhelm Bitters, der den Kurzvortrag beim Wort zum Ort hielt, stellte mir seine Aufzeichnungen zur Verfügung und zeigte mir später die Feuerwehrgebäude und ‑geräte und gab zusätzliche Erläuterungen zum Ablauf und zum Wesen der Feuerwehr. Ihm und Marius Felgenträger, der zufällig ebenfalls anwesend war, vielen Dank für all die Informationen.
Feuersbrünste haben seit Urzeiten die Menschheit mit seiner Tier- und Pflanzenwelt heimgesucht. Der Mensch musste lernen, Brände zu verhindern und zu bekämpfen und immer wieder versuchte er, seine Kenntnisse über das Feuer zu vertiefen und die Art, dieses Feuer zu löschen zu verbessern.
Auch Schöningen wurde vielfach von Bränden heimgesucht und der Großbrand aus dem Jahre 1644 ist wohl allen aus der Schulzeit noch bekannt.
Die Sage erzählt folgende Begebenheit:
Jürgen Speckhals war von Beruf Karrenführer. Er konnte sehr schnell böse werden, wenn man nicht sofort tat, was er wollte. Als er eines Tages nach Hause kam, knallte er laut mit der Peitsche und rief seine Frau. Sie sollte die Pferde ausspannen und in den Stall führen. Sie wollte aber gerade Pfannkuchen mit Speck backen und hatte deshalb Speck in die Pfanne gegeben. Als sie nun ihren Mann mit der Peitsche knallen hörte, lief sie sofort auf den Hof, um die Pferde auszuspannen. Sie vergaß aber, die Pfanne mit dem Speck von der Feuerstelle zu nehmen, so dass es unbeaufsichtigt weiterbriet.
Als sie in die Küche zurückkam, sah sie, dass das Fett in der Pfanne brannte. Sie wollte das Feuer löschen und nahm einen Eimer mit Wasser. Dieses schüttete sie in das brennende Fett. Es gab eine riesige Stichflamme. Die Flammen erreichten den Dachstuhl und entzündeten diesen. Das Feuer breitete sich in Schöningen schnell aus und richtete großen Schaden an. Von fast 200 Häusern wurden 170 vernichtet, nur 24 Gebäude wurden von dem Feuer verschont.
So glaubten die Bürger Schöningens lange Jahre, dass das Feuer auf diese Weise entstanden sei. Jürgen Speckhals und seine Frau aber mussten Schöningen verlassen und flüchten, um der Rache der anderen Bürger zu entgehen. Fast 40 Jahre später starb in Schöningen ein Bader. Er gestand, dass er auf Spatzen geschossen habe, die auf dem Haus von Jürgen Speckhals gesessen hätten und so der Brand entstanden sei.
Friedrich Schiller beschreibt in seinem Gedicht „Das Lied von der Glocke“ das Feuer von der angenehmen und der zerstörerischen Seite, wie es auf einem Text im Aufenthaltsraum der Feuerwehr zu lesen ist:
Wohltätig ist des Feuers Macht,
Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
Und was er bildet, was erschafft,
Das dankt er dieser Himmelskraft;
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
Wenn sie der Fessel sich entrafft,
Einhertritt auf der eignen Spur
Die freie Tochter der Natur
Wehe, wenn sie losgelassen,
Wachsend ohne Widerstand
Durch die volkbelebten Gassen
Wälzt den ungeheuren Brand!
Die Menschen hatten keine Feuerwehr, sie hatten ihre Eimer, ihre Hände und ihre Kraft, um das Wasser von einem Fluss, Bach oder Teich zu holen und in einer Menschenkette die Eimer weiterzureichen, damit das Wasser das Ziel, nämlich das Feuer, erreicht. So heißt es bei Schiller an einer anderen Stelle:
Durch der Hände lange Kette
Um die Wette fliegt der Eimer, hoch im Bogen
Und trotzdem waren solche Löschaktionen meist nicht von Erfolg beschieden. Die Zerstörung war zu groß.
1863 Erste Erwähnung eines Spritzenhauses in der Bismarckstraße. Als im Jahre 1884 eine Feuerspritze bei der Firma Metz bestellt wurde, wurde sie der damals bestehenden Turnerfeuerwehr übergeben. Der Buchdruckereibesitzer Julius Kaminsky hatte sich bereit erklärt, die Aufsicht über das Gerät zu übernehmen und wollte aus seiner Turnergruppe beim MTV eine Mannschaft zur Bedienung ausbilden. Kaminsky hatte zuvor in Braunschweig gelebt und dort die Handhabung einer solchen Spritze erlernt. Er stellte sehr bald fest, dass die Zusammensetzung dieser Mannschaft nicht günstig war, da viele nur kurze Zeit in Schöningen waren, die Turnerfeuerwehr also eigentlich nur aus Fremden bestand. Nun packte er die Schöninger bei der Ehre: Es müsse eine Mannschaft her, die ständig erreichbar sei und aus jüngeren Bürgern Schöningens bestehen müsse und es „eine Ehrensache für die Einwohnerschaft Schöningens“ sei, „ausbrechende Feuersgefahren nicht von Fremden löschen zu lassen.“ (Festschrift zum 100jährigen Bestehen) Der Stadtmagistrat rief also öffentlich dazu auf, eine Freiwillige Feuerwehr zu gründen. Der Aufruf hatte Erfolg und am 8. August
1865 erfolgte maßgeblich mit den Turnern des MTV und einiger Bürger, insgesamt 22 Personen, der Stadt die Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr. Erster Brandmeister wurde Heinrich Sander. Die Schöninger Feuerwehr ist damit nach Lehre die zweitälteste Feuerwehr in unserer Region.
1867 entschloss sich die Stadt, eine Motorspritze zu beschaffen, die von Pferden gezogen wurde.
1907 Die Aufgaben der Feuerwehr haben im Laufe der Jahre zugenommen. Aus diesem Grunde wurde 1907 ein neues, großes Feuerwehrhaus mit 4 Einstellplätzen an der Elmstraße gebaut. In dem Gebäude war auch eine Wohnung für den Gerätewart vorhanden. Einige Jahre später wurde das Dachgeschoss zum Schulungsraum ausgebaut.
1924 stellte die Feuerwehr Schöningen beim Amtsfeuerwehrverband den Antrag, eine Automobilspritze für den Amtsbezirk Schöningen zu beschaffen. Leider waren drei Gemeinden nicht bereit, den Betrag von etwa 300 Mark zu bewilligen. Also konnte die Spritze nicht beschafft werden. Als dann
1925 in Hoiersdorf in der Maschinenfabrik Fickartz u. Co ein Feuer ausbrach, war die Schöninger Wehr nach 12 Minuten abfahrbereit am Feuerwehrdepot in der Elmstraße, aber für die alte vorhandene Motorspritze standen keine Pferde zur Verfügung. Der damalige Feuerwehrhauptmann Heinrich Ivers (rechts) beklagte: Was nützt eine gut organisierte Feuerwehr, wenn die Mittel für die Ausrüstung nicht zur Verfügung gestellt werden. „Die Leute verlieren unter diesen Umständen die Lust und Liebe zur Sache, zum Schaden der Allgemeinheit.“ Er drückt sodann die Hoffnung aus, dass nun vielleicht doch eine Automobilspritze angeschafft werde, da die Feuerwehr schließlich zum Wohle aller die Häuser und das Eigentum schütze.
1933 Hermann Sommerburg (rechts), von Beruf Schulhausmeister, wird zum Stadtbrandmeister ernannt. 1936 In der Feuerwache wird ein Versammlungsraum geschaffen.
1944 ‑1948 und 1950 ‑1956 war Fritz Bock, Stadtbrandmeister
1964 Ernst Neumann wird Stadtbrandmeister. In der Braunschweiger Zeitung vom 15. April 1980 anlässlich seiner Ehrung im Rathaus ist zu lesen, dass er zwar erst 1959 Mitglied der Feuerwehr wurde, aber bereits seit 1953 für sie tätig. war, denn der damalige Stadtbrandmeister hatte kein Auto und Ernst Neumann fuhr diesen zu den Einsätzen. Bei den Einsätzen fotografierte Neumann die Situation vor Ort und konnte so der Feuerwehr Bilder zur Verfügung stellen.
Obwohl Ernst Neumann erst 1959 in die Feuerwehr eingetreten war, wurde er bereits 1963 stellvertretender Stadtbrandmeister.
1970 wurde Alversdorf wegen des Kohleabbaus aufgelöst und die Fahrzeuge der Alversdorfer Feuerwehr kamen nach Schöningen. Dabei handelte es sich um einen Wasserwagen mit einem Fassungsvermögen von 5000 Litern und ein Löschfahrzeug.
Wegen der vielen tödlichen Unfälle, die sich damals zum Beispiel am heutigen Reinsdorfer Kreisel ereigneten, wurde das Löschfahrzeug zu einem Gerätewagen umgebaut, um alle Gerätschaften für die Rettung von Personen aus verunfallten Autos schnell und übersichtlich dabei zu haben. Damit die neuen Fahrzeuge untergestellt werden konnten, wurden in Eigenleistung neue Einstellplätze gebaut. Die Tore wurden vergrößert und 500 qm Hof gepflastert. Auch die Frauen der Feuerwehrmänner setzten ihre Arbeitskraft ein.
1971 konnte durch die Spende eines Bauunternehmers ein Krankentransportwagen beschafft werden. Der damalige Stadtbrandmeister Ernst Neumann besorgte dieses Fahrzeug, das bei der Berliner Feuerwehr ausrangiert wurde.
Ernst Neumann hatte ein Radiogeschäft in Schöningen. Er war interessierter Techniker und hatte für seine Wehr in Schöningen ein Alarmsystem geschaffen. Zu etwa 5 Kollegen, die in der Umgebung wohnten hatte er Kabel verlegt, damit seine Leute schnell benachrichtigt werden konnten.
Der Notruf 112 für Schöningen lag in diesen Jahren noch bei der Schöninger Feuerwehr und die Einsätze bei Verkehrsunfällen mit eingeklemmten Personen führten in die Bereiche Heeseberg, Büddenstedt oder sogar Nord-Elm. Bei einer Versammlung im Jahre 1980 bestätigt der damalige Stadtdirektor Jürgen Lübbe die herausragende Arbeit mit dem Rettungswagen. Ernst Neumann und Walter Schimmeyer (Geräteart) waren in diesen Jahren die beiden Hauptamtlichen bei der Feuerwehr. Als diese den Dienst quittierten, mussten ihre Posten ehrenamtlich ausgeführt werden.
1974 Das Dachgeschoss wurde weiter ausgebaut. Da nun auch Frauen in die Feuerwehr aufgenommen wurden, mussten neue Duschen und Toiletten gebaut werden. Vieles davon geschah wieder in Eigenleistung.
1977 Gründung einer Jugendfeuerwehr. In sie können Mädchen und Jungen im Alter von 10 bis 18 Jahren eintreten. 32 Jugendliche treten dieser Gruppe bei. So kann die Feuerwehr ihren Nachwuchs rechtzeitig aufbauen und ausbilden. 1980 Heinz-Otto Schulze wird Nachfolger als Stadtbrandmeister von Ernst Neumann.
1981 überreicht Bürgermeister Grau der Feuerwehr die Schlüssel für den neuen, modernen Rüstwagen, in den Geräte im Wert von 30000 DM aus dem alten Rüstwagen übernommen worden waren. Das alte Fahrzeug war 30 Jahre in Gebrauch gewesen.
1985 beginnt Karl-Heinz Christ mit der Brandschutzerziehung für Kinder in Schulen und Kindergärten und der Brandschutzaufklärung für Erwachsene.
1988 wurde der Rettungsdienst zentralisiert und der Krankentransportwagen abgeschafft. Bei der Grenzöffnung
1989 hatte die Feuerwehr viele Einsätze, um den Andrang an Menschen und Autos zu kanalisieren und helfend zur Seite zu stehen. Viele Freundschaften mit den Nachbarwehren wurden geschlossen.
1990 war ein großes Jahr für die Freiwillige Feuerwehr Schöningen. Sie konnte auf ihr 125-jähriges Bestehen zurückblicken. An einem großen Festumzug nahmen 50 Feuerwehren teil, darunter viele befreundete Wehren aus Sachsen-Anhalt.
1998 Heinz-Otto Schulze gibt sein Amt an Jürgen Walter weiter. Rechts Stadtdirektor Jürgen Lübbe
2007 wurde das Feuerwehrhaus an der Elmstraße 100 Jahre alt und war nach der Feuerwache in München wohl das älteste noch in Betrieb befindliche Feuerwehrgebäude.
2014 Wegen großer Unfallgefahr musste ein neues Feuerwehrhaus gesucht werden. In dem ehemaligen Geschäftshaus an der Wilhelmstraße hat die Feuerwehr ein neues Zuhause gefunden. Wieder wurden viele Arbeiten in Eigenleistung erledigt. Die Umkleideräume sind geräumiger geworden und es ist endlich genügend Abstellplatz für die großen Fahrzeuge vorhanden und die breiten Tore bieten genügend Ein- und Ausfahrsicherheit. Bilder links und unten aus einem Video auf youtube „Freiwillige Feuerwehr Schöningen; Umzug ins neue Gerätehaus“ Da nun genügend Platz vorhanden ist, wird eine Kinderfeuerwehr gegründet, der man ab 6 Jahren beitreten darf.
2017 Gründung eines Fördervereins Karl-Heinz Christ wird geehrt für seine langjährige Arbeit bei der Feuerwehr und seine Brandschutzarbeit. Über 10000 Kinder hat er bei der Brandschutzerziehung betreut und hält heute die Verbindung zusammen zwischen 26 Brandschutzerziehern.
Kurz erklärt: Stadtbrandmeister — Ortsbrandmeister
Schöningen mit seinen Ortsteilen Esbeck und Hoiersdorf hat an der Spitze einen Stadtbrandmeister, der für das Geschäftliche und innere organisatorische Fragen zuständig ist. Dies ist zur Zeit Michael Barth.
in Schöningen Matthias Mothsche
in Esbeck Kai Schöndaube
in Hoiersdorf Michael Barth
Stadtbrandmeister
Heinrich Sander Maurermeister 1865 – 1867
Carl Sorge Fleischermeister 1871 – 1879
Carl Maßmann Sattlermeister 1879 – 1895
Ernst Drewes Dachdeckermeister 1895 — 1902
W. Brabau Kaufmann 1902 – 1905
W. Ritzau Stellmachermeister 1905 – 1916
August Müller Schulhausmeister 1916 – 1919
Heinrich Ivers Klempnermeister 1919 – 1926
Otto Caspar Feldvoigt 1927 – 1927
Albert Wiedemann Maurermeister 1927 – 1933
Hermann Sommerburg Schulhausmeister 1933 – 1944
Fritz Bock Stadt-Oberbauinspektor 1944 – 1948
Otto Steinke Kaufmann 1948 – 1950
Fritz Bock Stadt-Oberbauinspektor 1950 – 1956
Otto Pickert Schuhmachermeister 1956 – 1964
Ernst Neumann Rundfunktechniker 1964 – 1980
Heinz-Otto Schulze Testfahrer 1980 – 1998
Jürgen Walter 1998 – 2002
Torsten Schimmeyer 2002 – 2010
Jan Fricke 2010 – 2018
Michael Barth 2018
Abteilungen in der Feuerwehr
70 Aktive; 17 Jugendliche; 40 Kinder; 17 ausgediente in der Altersabteilung
Im Einsatz Die Ausrüstung der Feuerwehr ist stets verbessert worden, um das Leben der Einsatzkräfte zu schützen. Während alte Uniformen aus Stoff bestanden der Kopfschutz ein normaler Stahlhelm und der Atemschutz nur unzureichend war, bestehen heutige Anzüge aus entzündungshemmendem Material und der Atemschutz ist erheblich besser. Aber diese Kleidung ist schwer und die Arbeit der Feuerwehrleute ist anstrengend. Und trotzdem muss schnell, aber mit Bedacht gehandelt werden. Deshalb ist erstes Ziel, dass sieben Minuten nach der Alarmierung das erste Fahrzeug vor Ort sein soll.
Feuer sind nicht immer nur von außen zu bekämpfen, sondern oft muss sich ein Trupp, ausgerüstet mit Atemschutzgeräten, zum Brandherd vorarbeiten. Doch durch den Rauch ist häufig nicht viel zu sehen, alles ist schwarz. Im weiteren Fortgang wird es wärmer und irgendwann wird das Bild rötlich und Flammen oder Glut werden erkennbar, sodass die Wasserspritze nun gezielt eingesetzt werden kann. Diese Arbeit wird heute durch Wärmebildkameras erleichtert. Aber trotzdem muss nach 20 Minuten die Arbeitsgruppe ausgewechselt werden, da der Sauerstoff in den Flaschen zu Ende geht und der Körper aus dieser extremen Situation heraus muss.
Hauptmann Ivers hatte 1925 auch folgende Sätze formuliert:
„Die Feuerwehr stellt sich willig in den Dienst der Allgemeinheit; bei Tag und Nacht, bei Sturm und Regen setzt sie ihr Bestes ein zum Schutze des Nächsten und zur Rettung und Erhaltung des (…)Vermögens. Darum sollte man (ihr) auch eine bessere Beachtung zuteil werden lassen.“
Es ist gut, dass wir die Feuerwehr haben. Hoffen wir, dass wir sie nicht brauchen, aber haben wir Achtung für die Bereitschaft der Männer und Frauen diesen Dienst für uns zu tun.
Fotos: Feuerwehrarchiv, Braunschweiger Zeitung,
Archiv Heimatmuseum, Georg Much, Lückemann