100 Jahre BSV Union von 1919
Teil 1 Von der Gründung der Fußballabteilung bis zur Auflösung durch den Nationalsozialismus am 26.03. bzw. 27.03.1933
Werdegang des BSV Union von 1919 – 1932
Das Jahr 1919 kurz nach Ende des 1. Weltkrieges war auch in Schöningen durch große Entbehrung, Not und Einschränkungen geprägt. Die beiden Schöninger Zeitungen berichten von vielen Engpässen wie z.B. in der Lebensmittel- und Kohlenversorgung. Trotz dieser Einschränkungen erwachte das Vereinsleben in den Schöninger Sportvereinen. Es fanden wieder sportliche Wettkämpfe statt und auch der Spielbetrieb im Fußball wurde wieder aufgenommen. Das Vereinsleben blühte ebenfalls auf.
So lud die Freie Turnerschaft Schöningen zu „turnerischen Aufführung und Ball“ am 12 Januar 1919 in Klepps Garten ein. (Schöninger Zeitung 07.01.1919) Schon im März beklagten sich die fünf Schöninger Turn- und Sport-vereine über den Mangel an „Spielplätzen“. So berichtete die Schöninger Zeitung vom 16.03.1919 von einer Eingabe dieser Vereine an die städtischen Behörden, „dem Mangel an ausreichenden und geeigneten Spielplätzen baldigst abzuhelfen.“ Als Vorschlag hieß es in diesem Artikel weiter: „Insbesondere ließe sich der Platz hinter Klepps Garten ohne erhebliche Opfer einebnen und durch Verschüttung der angrenzenden Gruben leicht auf eine Größe von 70m Breite und 90–100m Länge erweitern. Damit wäre zur Not schon viel gewonnen und ein bescheidener Anfang gemacht.“ Am 22.07.1919 informierte die Schöninger Zeitung: „Einen großen Fest‑, Sport- und Spielplatz will Herr Gastwirt Caspar anlegen. Er hat zu diesem Zweck einen hinter seinem Grundstück liegenden 3 Morgen großen Acker käuflich erworben. Mit dem Ausbau wird bald begonnen werden.“
Bereits zwei Tage später berichtet am 24.07.1919 der Schöninger Anzeiger: „Neuer Spielplatz. Auf dem Güntherschen Plane hinter Klepps Garten wird Herr Otto Caspar einen Fest‑, Sport- und Spielplatz anlegen. Mit der Planierung wird bereits begonnen.“ Der Platz hatte zu Beginn des Spielbetriebes eine Größe von 60 m x 45 m. Vermutlich im September 1919 wurde der Fußballverein „U.F.C. Union“ gegründet. (Das genaue Datum und der Ort der Gründungsveranstaltung sowie die Namen der Gründungsmitglieder sind der damaligen Schöninger Tagespresse nicht zu entnehmen.) So schrieb der Schöninger Anzeiger am 7.10.1919 lediglich:
„Fußballklub „Union“. Der neu gegründete Club weilte gestern mit seiner ersten Elf in Offleben und trug sein erstes Gesellschaftsspiel gegen die erste Mannschaft des Sportklubs Offleben aus. Union kehrte als Sieger mit 3 zu 1 heim, Halbzeit stand 1 zu 1.“ Trotz des erfolgreichen Startes hatte der noch junge Verein das große Problem, keine eigene Spielstätte zu besitzen. Das bedeutete, es gab nur einen eingeschränkten Trainingsbetrieb und es gab keine „Heimspiele“. Schöninger Anzeiger 16.10.1919 Zeitgleich zur Entstehung von „U.F.C. Union“ versuchte bei den Freien Turnern Hermann Sell, der in englischer Kriegsgefangenschaft aktiv Fußball spielte und 1919 wieder nach Schöningen zurückkehrte, eine Fußballriege ins Leben zu rufen. Im Januar 1920 war es dann soweit. Der Schöninger Anzeiger schrieb am 4.01.1920: „Eine Fußballabteilung wird jetzt auch die „Freie Turnerschaft“ einrichten, um einem schon längst vorhandenen Bedürfnisse und Wunsche der Mitglieder nachzukommen.“ Am Samstag, den 10. Januar 1920 berichtete ebenfalls der Schöninger Anzeiger: „U.F.C. „Union“. Der vor kurzer Zeit neugegründete U.F.C. „Union“ hatte seine Mitglieder am Mittwoch Abend zu einer wichtigen Besprechung in den Gasthof „Weißes Roß“ eingeladen, es handelte sich hauptsächlich um die Platzfrage und den Übertritt zur „Freien Turnerschaft“. Es wurde dann einstimmig, da keine Aussicht zur Erlangung eines Spielplatzes vorhanden war, beschlossen, sich der Fußballabteilung der „Freien Turnerschaft“ anzugliedern und vereint mit ihr die Wettspiele auszufechten und geschlossen dazustehen.“
Des Weiteren stand im Schöninger Anzeiger am 15. Januar 1920 zu lesen: „Freie Turnerschaft … — Am Sonntag, den 11. Januar trat zum ersten Mal die neugegründete Fußballmannschaft der Freien Turnerschaft gegen die 1. Fußballmannschaft des Arbeiter-Turnvereins Klein-Stöckheim auf den Plan. Trotz des ungünstigen Wetters konnte unsere Mannschaft den Platz mit 2:0 Toren verlassen. Die Freie Turnerschaft hat von dem Gastwirt Otto Casper laut Kontrakt dessen Spielplatz erworben und tritt denselben an den Männer-Turnverein 2 Tage in der Woche ab.“ Inwieweit ehemalige „Union“ Fußballer an diesem Sieg beteiligt waren, geht aus dem Artikel nicht hervor.
Karl Rose beschreibt das Jahr 1920 in der „Festschrift zum 50jährigen bestehen des Ballspielvereins „Union“ v. 1919 e.V. Schöningen“, als ein erfolgreiches Fußballjahr. Trotz sportlicher Erfolge zeichnete es sich ab, dass die Fußballabteilung bei den Freien Turnern keine Zukunft hatte. Noch im Jahre 1920 wurde diese innerhalb der Freien Turnerschaft aufgelöst. Am 2. Januar 1921 konstituierte sich ein neuer Fußballverein, der V.f.B. Schöningen, letztlich ein Nachkomme des „U.F.C. Union“ aus dem Jahre 1919. Der Schöninger Anzeiger schrieb am Donnerstag, den 6. Januar 1921: „Ein Verein für Bewegungsspiele wurde am letzten Sonntag hier gegründet. Dieser Verein setzt sich hauptsächlich aus Mitgliedern der früheren Fußballabteilung „Freie Turner“ zusammen und verfolgt den Zweck, das Fußballspiel zu pflegen. In der Gründungsversammlung wurden in den Vorstand gewählt die Herren G. Almes als erster Vorsitzender, Fritz Schaper als Kassierer, Hermann Maschke als Schriftführer. Am kommenden Sonntag findet in Helmstedt ein Gesellschaftsspiel gegen Eintracht I Braunschweig statt, das sehr interessant zu werden verspricht.“ Doch auch dem V.F.B. Schöningen sollte mit etwas über einem Jahr nur eine recht kurze Lebensdauer beschieden sein. Am 27. Februar 1921 anlässlich der „Gründungsfeier“ veranstaltete der „V.f.B. Schöningen auf dem Sportplatz hinter „Klepps Garten“ große Fußballwettspiele.
Karl Rose schreibt in der Festschrift zum 50jährigen Bestehen weiter: „Die 1. bis 3. Mannschaft sowie die beiden Jugendmannschaften des Vereins traten zum Spiel an. Besonders interessant waren die Spiele der 1. und 2. „Elf”, die sich die „ I. Union-Braunschweig” und „Vorwärts-Wolfenbüttel” verpflichtet hatten. Die „Gründungsfeier” schloss mit einem 5 Uhr nachmittags beginnenden großen Festball in „Klepps Garten” ab. Für den VfB brachte die 1921 beginnende Inflationszeit in finanzieller Hinsicht eine schwere Belastung in den nächsten Jahren, so dass es unermüdlicher, aufopfernder Tätigkeit des Vorstandes bedurfte, alle Krisen zu überwinden. Infolge aufgetretener Meinungsverschiedenheiten im VfB verließen mehrere Mitglieder den Verein und gründeten im Herbst 1921 einen neuen Fußballverein „Sportfreunde Schöningen”. Doch schon Anfang 1922 löste sich dieser Verein wieder auf. Die Mitglieder kehrten zum VfB zurück, der sich von nun an „BSV Union Schöningen v. 1919 e.V.“ nannte.“ „Als 1924 die Möglichkeit bestand, den Sportplatz hinter dem „Elmschlößchen” käuflich zu erwerben, scheiterte der Plan an der Nachlässigkeit einer Einzelperson. Die Brauerei Bodenstein Magdeburg erwarb das gesamte Grundstück Salinenweg Nr. 35, wozu auch der Sportplatz gehörte, und stellte diesen dem Verein zur Benutzung zur Verfügung. Dank tatkräftiger Selbsthilfe der Vereinsmitglieder wurde der Sportplatz auf 90 mal 60 m erweitert, so dass er den erhöhten Anforderungen entsprach. Im Jahre 1924 wurde der damalige Bezirksmeister im Braunschweiger Bezirk, „Wacker-Braunschweig”, in der Frühjahrsserie der Mitteldeutschen Spielvereinigung vom „BSV Schöningen” mit 2:1 geschlagen, worauf man in Schöningen mit Recht stolz war. Nach diesem Spiel konnte sich der BSV für das kommende Spieljahr den besten Hoffnungen hingeben; doch mit des Geschickes Mächten .…“ „Bei der Frühjahrsserie der Spiele 1929 konnte sich „Union” den zweiten Tabellenplatz sichern; die zweite Mannschaft hatte eben-falls den 2. Platz inne, und die 1. Jugendmannschaft führte den Kampf um die Bezirks- bzw. Kreismeisterschaft. Froher Mut beseelte die 300 Mitglieder des Vereins, der acht aktive Mannschaften enthielt. Mehrere errungene Meisterschaften im Bezirk und im Kreisgebiet zeugten von der Spielstärke dieser Mannschaften. Aus den Jugendmannschaften konnte guter Nach-wuchs für die Herrenmannschaften verzeichnet werden, so dass der Verein voraussichtlich auf weite Sicht hin in sportlicher Hinsicht gesichert war. Die Vereinsversammlungen wurden durchweg gut besucht. Aber nicht nur auf sportlichem Gebiet, sondern auch auf sozialem Gebiet wurde Erfreuliches geleistet; so führte der Verein z. B. 1929 im Rahmen der „Kinderhilfe” ein Spiel gegen den „Fußballklub 08 Schöningen” durch, das mit 3:1 von „Union” gewonnen wurde und es ermöglichte, 121,70 Mark an das Kinder-Hilfswerk abzuführen.
Die Union-Mannschaft spielte in folgender Aufstellung: Schögel, Kirmis, Arendt, Back, Nemitz, Arendt, Schröder, Maschke, Vogel, Tack.“ „Das 10jährige Bestehen des Vereins wurde am 3. und 4. August 1929 festlich begangen und zwar in sämtlichen Räumen von „Klepps Garten”. Es begann am Sonnabend, dem 3. August um 6.30 Uhr abends mit einem Spiel gegen den Fußballklub „Wacker”, Spielvereinigung l, Braunschweig. Anschließend fand abends 8 Uhr ein Festkommers mit turnerischen Vorführungen und Gesangsvorträgen von hiesigen und auswärtigen Vereinen statt. – Am Sonntagmorgen um 9 Uhr wurden die Spiele der unteren Mannschaften auf dem Sportplatz „Klepps Garten” und auf dem MTV-Platze an der Marienstraße ausgetragen. – Um 2 Uhr begann der Festzug. Nach dessen Beendigung fand ein Gartenkonzert durch 18 Musiker statt, das viel Freude bereitete. Während des Konzerts wurden auf den genannten Plätzen die erstklassigen Spiele ausgetragen. Um 4 Uhr war das Haupttreffen zwischen VFL Seesen I und Union I. Der Gästemannschaft ging ein guter Ruf voraus; sie hatte z. B. gegen „Wacker-Braunschweig” zweimal 4:4 gespielt. — Abends begann der Fest-tanz. Die im Jahre 1930 verstärkte 1. Mannschaft unternahm zu Pfingsten wieder eine Reise, und zwar dieses mal erstens nach Delmenhorst, wo gegen den S S V mit 4:5 verloren wurde, dann nach dem damaligen Oberliga-Verein „Bremerhaven 93″, wo mit 3:2 ein Sieg errungen wurde. In einem dritten Spiel erreichte dann „Union” gegen den spielstarken Blumenthaler Verein ein 1:1. Als im gleichen Jahre die „Sportvereinigung 04 Wien” nach Schöningen zu einem Spiel kam, erreichte die Zuschauerzahl einen Höhepunkt mit 3000, die alle dem 3:3‑Spiel begeistert folgten. Bei dieser Gelegenheit spielte „Union” in folgender Aufstellung: Sarnes Drewes, W. Heine, Seboth, Kohn, Hoge, Voges, Seil, Maikowski, E. Heine, und Wiedewald. Wenn nun auch in jenen Jahren das sportliche Streben und Können des „BSV Union” zufriedenstellend war, so bereitete jedoch die finanzielle Lage des Vereins seinem Vorstande und seinen Mitgliedern schwere Sorge, da sie kritisch wurde.
Viele Mitglieder – bis zu 50 % – wurden erwerbslos, das Mitgliederbeitragsaufkommen ging daher stark zurück. Naturgemäß ließ auch der Besuch der Spiele erheblich nach, so dass die Höhe der Eintrittsgelder geringer wurde. Durch eine vorgenommene Änderung der Spielklassen, wobei eine Nahzusammenlegung der Vereine erfolgte, sparte man zwar an Fahrtkosten, jedoch wirkte sich diese 21 Maßnahme auch ungünstig auf das spielerische Niveau aus. Ältere Spieler, die sich bisher durchaus bewährt hatten, traten zurück und mussten durch neue ersetzt werden. Die Lage im Verein verschlechterte sich bis zum Jahre 1932 zusehends. Schließlich waren 80 % aller Mitglieder erwerbslos; die Mitgliederzahl des Vereins fiel auf etwa 210 zurück. Trotzdem unterhielt der Verein noch 3 Herren-Mannschaften, eine Jugend- und eine Knabenmannschaft. Trotz aller auftauchenden Schwierigkeiten fanden sich doch immer wieder Mitglieder, die es verstanden, den Verein auf-recht zu erhalten und zu immer neuen Taten anzuregen. So brachte man es fertig, im Jahre 1932 noch drei Fahrten zu Spielen in Lintfort, Homberg und Duisburg durchzuführen, und erreichte es sogar in unserer Stadt ein internationales Spiel zwischen einer Brüsseler Mannschaft und dem „BSV Union” zu veranstalten, das vom sportbegeisterten Publikum mit großem Jubel aufgenommen wurde. Es lief 1:1 aus. Und dann kam das unheilvolle Jahr 1933 ….“
Das vorläufige Ende des B.S.V. Union Schöningen im Jahre 1933
Das 1. Quartal 1933 war geprägt durch die Phase der Machtergreifung der Nationalsozialisten und die damit verbundene Zerschlagung der Arbeiterbewegung mit ihren politischen und kulturellen Einrichtungen. Dazu zählte auch der B.S.V. Union Schöningen als Mitglied im ATSB (Arbeiter Turn- und Sportbund). Mit der von Hindenburg am 28.02.1933 unterzeichneten Notverordnung begann die systematische Zerschlagung der marxistisch orientierten Arbeiterbewegung. So lautete eine Überschrift im Schöninger Anzeiger am 1. März 1933: „Die neue Notverordnung. Schutz von Volk und Staat gegen die kommunistische Gefahr.“ Unmittelbar nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes am 23. März 1933 im Reichstag wurde die Verfolgung auf die gesamte sozialistische Arbeiterbewegung ausgedehnt. Verboten und verfolgt wurden nicht nur ihre Parteien, wie die SPD (die KPD wurde schon vorher verboten), sondern auch ihre Kultur- und Sporteinrichtungen. Am Samstag den 25. März 1933 wurde im Schöninger Anzeiger das Freundschaftsspiel des B.S.V. Union gegen Sportklub Wernigerode angekündigt.
Zu diesem Spiel schrieb Karl Rose in der Festschrift zum 50jährigen Bestehen des BSV Union Schöningen: „Als am 26. März 1933 (Datum korrigiert d. Verfasser) auf dem Platze hinter „Klepps Garten” ein Fußballspiel zwischen einem befreundeten Verein aus Wernigerode und dem „BSV Union von 1919” ausgetragen werden sollte, konnte es nicht vollständig ausgeführt werden, da plötzlich eine Reihe von SS-Leuten auf dem Platze erschien, ihn besetzte und den Abbruch des Spiels erzwang. Einige Spieler, die sich gegen dieses Vorgehen der SS auflehnten, wurden zu Boden geschlagen und so mundtot gemacht. Am nächsten Tage erfolgte ein Verbot des Vereins durch die nationalsozialistischen Machthaber. Das gesamte Ballmaterial, die Vereinschronik, die Vereinskasse und das Vereinsinventar wurden beschlagnahmt; einige Vorstandsmitglieder wurden vorübergehend verhaftet und mussten auch Schläge entgegennehmen.“ Am Montag bzw. Dienstag konnte man folgende Nachrichten der Schöninger Zeitung entnehmen:
Quelle wenn nicht anders angegeben: Karl Rose, Werdegang des 50 jährigen Ballspielvereins „Union“ Schöningen von 1919 e.V. in: FESTSCHRIFT ZUM 50 JÄHRIGEN BESTEHEN DES BALLSPIELVEREINS “UNION“ v. 1919 e.V. SCHÖNINGEN
Zusammengestellt von Eberhard Weigel